Der Bundestag will CETA beschließen
Wenn CETA vom Bundestag beschlossen wird, ist das kein guter Deal für die Demokratie.
Völlig unverständlich: Kurz vor der für den 1.12. geplanten Abstimmung fehlen noch wichtige Informationen: Wird die von der Bundesregierung angestoßene "Interpreationserklärung" tatsächlich Verbesserungen bei den undemokratischen Schiedsgerichten bringen? Wenn alle Dokumente vorliegen, entscheiden wir, ob wir nach der Ratifizierung erneut vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Bis dahin lohnt sich eine differenzierte Betrachtung...
1. Deutschland wird aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) aussteigen. Der Vertrag ermöglicht es internationalen Investoren der Energiewirtschaft, Klagen vor intransparenten Schiedsgerichten anzustrengen, um energie- und klimapolitische Maßnahmen zu verhindern oder deren Kosten der Allgemeinheit aufzubürden.
So verklagte Vattenfall 2012 Deutschland nach dem Atomausstieg und forderte 6,1 Milliarden Euro wegen entgangener Gewinne aus zwei seiner Atomkraftwerke.
Der angekündigte Ausstieg Deutschlands aus dem ECT muss das Ende für den gesamten ECT einleiten. Denn, wenn nicht auch die EU aussteigt, könnten wir noch Jahrzehnte nach der Kündigung verklagt werden. Nachdem alle großen EU-Mitgliedsstaaten einen Ausstieg angekündigt haben, muss die Europäische Kommission nun endlich ihre Blockadehaltung aufgeben und einen Vorschlag für einen gemeinsamen Austritt vorlegen.
Fazit: Das ist ein guter Schritt.
2. Vor zwei Wochen hat der irische Oberste Gerichtshof entschieden, dass die Ratifizierung von CETA verfassungswidrig ist. Laut dem Gericht verletzen die Investorengerichte die Souveränität, die Unabhängigkeit und die Funktion der eigenen irischen Gerichte. Genau das, was wir immer sagten.
Das Gericht hielt aber auch fest: Wenn das Parlament das irische Gesetz zu Schiedsgerichten in einer bestimmten Weise ändert, darf CETA doch verabschiedet werden.
Fazit: Eine gute Entscheidung, sie wird uns aber langfristig nicht helfen.
3. Die EU Kommission verhandelt – auf Initiative der Bundesregierung – derzeit mit Kanada eine Interpretationserklärung in Bezug auf die Schiedsgerichte in CETA. Ein Ziel dieser Erklärung ist, die möglichen Klagegründe für Konzerne einzuschränken. Vor allem der „Schutz“ der Investoren vor indirekter Enteignung (Annex 8-A CETA) und ihre gerechte und billige Behandlung (Artikel 8.10.2 CETA), wurden bislang oft von Schiedsgerichten benutzt, um Konzernen Milliardenzahlungen als Schadenersatz zuzusprechen.
Uns liegt die finale Formulierung noch nicht vor, aber in der letzten veröffentlichten Version werden die Klagegründe zwar nicht abgeschafft, aber deutlich eingeschränkt.
Die Erklärung soll vom gemeinsamen CETA-Ausschuss verabschiedet werden. Prof. Markus Krajewski schätzt die Rechtsverbindlichkeit dieses Vorgehens so ein: „Beschlüsse des Gemischten Ausschusses sind gleichwohl völkerrechtlich verbindlich und daher von den CETA-Gerichten nicht nur als bloße unverbindliche Auslegungshilfen zu berücksichtigen, sondern als verbindlich zu beachten. Es handelt sich der Form nach somit um eine verbindliche Vertragsauslegung.“
Fazit: Schiedsgerichte werden nicht abgeschafft, dazu wären Neuverhandlungen von CETA notwendig, aber es gibt weniger Mißbrauchsmöglichkeiten.
4. Bei den undemokratischen CETA-Ausschüssen liegt die größte Chance für eine erneute Verfassungsbeschwerde.
Zwischenzeitlich ist eine Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuss verfasst worden, die sicherstellen soll, dass bei Themen, die die Mitgliedsstaaten betreffen, diese auch am Tisch sitzen und mitentscheiden können.
In jedem Fall müsste der Bundestag im Rahmen der Ratifizierung mit einer Begleitgesetzgebung sicherstellen, dass Beschlüsse in den Ausschüssen demokratisch legitimiert und an den Bundestag rückgekoppelt sind.
Zudem soll ein eigener Unterausschuss zur Kontrolle der Handelspolitik im Bundestag eingerichtet werden. Das wäre ein Erfolg. Allerdings sind Befugnisse und Aufgaben dieses Ausschusses noch völlig unklar.
Die Ratifizierung soll in zwei Wochen stattfinden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bis heute keine verbindlichen Entwürfe vorliegen. Entweder werden sie mit heißer Nadel gestrickt oder zurückgehalten. Der völlig unnötige Termindruck verhindert demokratische Kontrolle.