
Informationsfreiheit
Aus aktuellem Anlass: Erfolg der Zivilgesellschaft! Reform des Informationsfreiheitsgesetzes im Koalitionsvertrag
Ein kleiner Satz im Entwurf des Koalitionsvertrages, der große Wellen schlug: “Das Informationsfreiheitsgesetz in seiner bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen“, forderten die Unionsparteien laut der Arbeitspapiere zum Zwischenstand der Koalitionsverhandlungen, die auf FragDenStaat veröffentlicht wurden. Dieser Punkt wurde ausgerechnet unter der Überschrift „Stärkung der repräsentativen Demokratie“ in dem Abschnitt Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung und moderne Justiz verhandelt.
Wir hielten das für den völlig falschen Weg: In den Krisen der letzten Jahre wurde den Bürger:innen viel abverlangt, Zeit für Erklärungen blieb oft wenig. Hier ist Vertrauen verloren gegangen. Um das wieder aufzubauen, braucht es mehr Transparenz bei politischen Entscheidungen. Die Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes wäre unter diesen Umständen fatal.
Deutschland muss beim Thema Transparenz einen Schritt nach vorne und nicht zwei zurück gehen. Wenn man das Informationsfreiheitsgesetz abschaffen will, dann nur um ein noch besseres Transparenzgesetz einzuführen, das war unsere Devise. Dafür setzten wir uns gemeinsam mit anderen Organisationen vehement ein: In einem öffentlichen Brief appellierten wir an die SPD der Forderung der Unionsparteien nicht nachzugeben. Verschiedene Zivilgesellschaftliche Organisationen starteten auch eine Petition, die am Ende über 400.000 Menschen unterzeichneten.
Das Ergebnis: Das Informationsfreiheitsgesetz bleibt! Das ist ein Erfolg der Zivilgesellschaft, engagierter Journalistinnen und Journalisten und nicht zuletzt auch der SPD. Im Vertrag steht nun, dass das IFG „mit einem Mehrwert für Bürgerinnen, Bürger und Verwaltung“ reformiert werden soll. Wir von Mehr Demokratie sagen: Das geht nur mit einem modernen Transparenzgesetz; der Staat sollte künftig wichtige Daten und Verträge von sich aus veröffentlichen.Wir werden uns auch in der neuen Wahlperiode im Bündnis für ein Bundestransparenzgesetz dafür einsetzen.
Weiterführende Informationen
- Europe Calling Webinar mit unserer Projektleiterin Marie Jünemann und ca. 1000 Teilnehmende
- Pressemitteilung vom 26. März 2025
- Artikel: Breiter Aufschrei für Erhalt der Informationsfreiheit
- Artikel: Warum es ein Transparenzgesetz braucht
- Petition: SPD, keine Koalition ohne Informationsfreiheit!
- Offentlicher Brief von 44 Organisationen: Keine Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes
Was bisher geschah
Jede Person hat das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. So besagt es Artikel 5 des Grundgesetzes, der überwiegend als Grundlage für das Recht auf Informationsfreiheit in Deutschland angesehen wird. Die Informationsfreiheit beschreibt das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu behördlichen Informationen. Diese Transparenz politischer Entscheidungen erleichtert Korruptionsbekämpfung und Kontrolle und stärkt damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Verwaltung. Die weitreichendsten Regelungen für die Informationsfreiheit in Deutschland hat Hamburg 2012 mit einem Transparenzgesetz beschlossen. Hintergrund war eine Volksinitiative in der Hansestadt unterstützt von Mehr Demokratie, dem Chaos Computer Club und Transparency International Deutschland.
Aus den Bundesländern
Mit der Informationsfreiheit ist es in Deutschland traditionell schlecht bestellt: Im “Global Right to Information Rating” von Access Info Europe und dem Center for Law and Democracy nimmt Deutschland insgesamt Platz 126 von 136 Staaten ein, die miteinander verglichen wurden (siehe: www.rti-rating.org/). Auch innerhalb Deutschlands unterscheidet sich das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf öffentliche Informationen stark. Um aufzuzeigen, wie es um die demokratisch fundamentale Informationsfreiheit in Deutschland bestellt ist, veröffentlichen Mehr Demokratie und die Open Knowledge Foundation seit 2017 das sogenannte Transparenzranking, welches 2021 aktualisiert wurde: www.transparenzranking.de
Die Entwicklung der Informationsfreiheitsgesetze in den Bundesländern lässt sich laut diesem in drei Stufen unterteilen:
1. Bundesländer ohne gesetzliche Regelungen (Bayern, Niedersachsen).
2. Bundesländer mit Informationsfreiheitsgesetzen, nach denen Informationen auf Antrag herausgegeben werden müssen (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt)
3. Bundesländer mit Transparenzgesetzen, die Behörden zusätzlich zur eigenständigen Veröffentlichung von zentralen Daten verpflichten (Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen)
Kampagne für ein Bundestransparenzgesetz seit der Bundestagswahl 2021
Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes existiert seit 2006. Im Transparenzranking erhält es, auch wenn es sich außerhalb der Rangliste befindet, 37 Punkte und bewegt sich im Mittelfeld. Schon das zeigt, dass das Gesetz wohl eher ein Kompromiss zwischen Transparenz-Befürworterinnen und -Skeptikern war, auch wenn die Zivilgesellschaft einen großen Anteil daran hatte, dass das Gesetz überhaupt kam. Schon 2012 stellte eine offizielle Evaluierung im Auftrag des Innenausschusses des Bundestages erheblichen Reformbedarf bei dem Gesetz fest.
Die Regierungsparteien der Ampel-Koalition haben in ihrem Koalitionsvertrag vom November 2021 unter anderem folgendes Reformprojekt angekündigt: „Wir wollen durch mehr Transparenz unsere Demokratie stärken. Uns leiten die Prinzipien offenen Regierungshandelns – Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit…Die Informationsfreiheitsgesetze werden wir zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickeln.“
Ein zivilgesellschaftliches Bündnis, dem wir auch angehörten, präsentierte im Herbst 2022 exakt zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Hamburgischen Transparenzgesetzes einen eigenen Gesetzesvorschlag für ein Bundestransparenzgesetz. Er wurde erarbeitet von Mehr Demokratie, der Open Knowledge Foundation mit ihrer Transparenzplattform FragDenStaat, der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche, Transparency International Deutschland sowie der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit. Unterstützt wird er außerdem von den Organisationen abgeordnetenwatch, Lobbycontrol, Wikimedia Deutschland, dem Deutschen Journalistenverband und openPetition. Kommentare und Anregungen von Bürgerinnen und Bürger sind über eine Online-Beteiligungsplattform eingeflossen, auf der der Gesetzesvorschlag zur Debatte stand.
Mit vielen Aktionen haben wir uns in der Wahlperiode der Ampelregierung für das Bundestransparenzgesetz eingesetzt: Wir haben Pressekonferenzen gehalten, Tagungen und Veranstaltungen organisiert, haben über 50.000 Unterschriften für eine Petition gesammelt und mit dutzenden Politikerinnen und Politikern gesprochen. Eckpunkte und der Gesetzentwurf wurden uns immer wieder versprochen und dann doch wieder verschoben. Durch die vorgezogenen Neuwahlen kommt das Gesetz nun nicht mehr zur Verabschiedung, obwohl man genug Zeit gehabt hätte.
Der Umstand, dass ein Gesetzesvorschlag für ein Bundestransparenzgesetz aus der Mitte der Zivilgesellschaft kam, ist deshalb kein Zufall: Transparenzgesetze, die von der Exekutive erarbeitet werden, entstehen bei den Stellen, die sich selbst mehr Offenheit verordnen müssen. Das erfordert lange Beratungen und Abwägungen, wie auch dieses Mal gesehen. Es ist ein demokratiepolitisch notwendiges Korrektiv, wenn an dieser Stelle Impulse von denen kommen, die letztlich für die Adressaten der Transparenz sprechen, nämlich die interessierte Öffentlichkeit.
Hintergrundinformationen
Petition für ein Bundestransparenzgesetz:
https://www.openpetition.de/petition/online/ampelversprechen-halten-transparenzgesetz-jetzt-2